HAU 2: 20. – 22. April, 20 Uhr

»Raio X« (Röntgenstrahlen)

MEMBROS CIA. DE DANÇA, MACAÉ

Publikumsgespräch: 22. April, im Anschluss an die Vorstellung

Zweieinhalb Autobusstunden nördlich von Rio de Janeiro liegt die Küstenstadt Macaé. Seit den Achtzigern werden hier vor der Küste mehr als achtzig Prozent des brasilianischen Öls gefördert. Seitdem hat sich die Zahl der Einwohner auf über 150.000 verdreifacht. Der Ölboom hat außer in- und ausländischen Fachkräften tausende meist ungelernte Arbeitssuchende aus den armen Regionen des Landes nach Macaé gelockt. Der Zustrom hält an, ohne dass die Stadt eine Infrastruktur hat, diese Menschen aufnehmen zu können und das Wachstum der Favelas geht mit enormer Geschwindigkeit vonstatten. Dieses direkte Nebeneinander von Reichtum und Armut birgt reichlich sozialen Zündstoff. Macaé ist eine der Städte mit einer sehr hohen Verbrechensrate.

Wie eine Insel in dieser zersplitterten Stadt liegt das vor acht Jahren von Taís Vieira und Paulo Azevedo gegründete Kulturzentrum. Hier arbeitet eine der spannendsten Hip-Hop Compagnien Südamerikas: Membros cia. de dança.

» Raio X«: Von Gefangenen geschriebene Texte über das brasilianische Gefängnissystem bildeten den Ausgangspunkt für die Forschungen der Choreografin Taís Vieira. Die Performance verweist auf Gefängnisaufstände und Massaker, die 1992 stattgefunden haben.

Idee, Leitung: Paulo Azevedo, Taís Vieira | Künstlerische Leitung: Paulo Azevedo | Choreografie: Taís Vieira | Tanz: Amilton Vilarindo, Filipe Itagiba, João Carlos Silva, Mirila Greicy, Luiz Henrique, Jean Gomes | Licht: Jose Martins | Musik: Titãs, Pink Floyd, Pavilhão 9, Elza Soares | Produktion und Tourmanagement: Marine Budin | El Climamola | Unterstützung: Prefeitura Municipal de Macaé, Fundação Macaé de Cultura

Presse / Foto


Paulo Azevedo ist Sportwissenschaftler, Leiter der Compagnie Membros Cia de Dança, Forscher in Brasilien im Bereich der Hip Hop-Bewegung und Gründer der Schule Dança de Rua Paulo Azevedo (Paulo Azevedo Schule für Street Dance). Er ist Autor von „Dança de Rua – contador de histórias" (Straßentänzer – Geschichtenerzähler), „A Descoberta de Talentos nas Escolas Municipais de Macaé" (Die Entdeckung von Talenten in den Gemeindeschulen von Macaé) und „Dança de Rua: uma pesquisa de socialização" (Straßentanz: eine Sozialisationsstudie).

Taís Vieira studierte Tanz an der UNIVERCIDADE Rio de Janeiro und ist Vorsitzende des Centro Integrado de Estudos do Movimento Hip Hop (CIEM-h2) (Integriertes Studienzentrum der Hip Hop-Bewegung), Choreografin der Compagnie Membros Cia de dança und beschäftigt sich hauptsächlich mit der Literatur von Gefängnisinsassen.

Dilma Negreiros hat die Reise der Compagnie Membros Cia de Dança von der Stadt Macaé im Bundesstaat Rio de Janeiro aus zum Festival Dies de Dansa, einem Event im Rahmen des Forums Las Culturas de Barcelona 2004, dokumentiert (siehe unter: http://www.clickmacae.com.br). Dort ist ein Eintrag zu finden, in dem der Gastauftritt der Gruppe beim 17. Internationalen Wettbewerb der Choreografen im Jahr 2003 in Hannover lobend erwähnt wird. Seit Januar diesen Jahres macht die Gruppe eine Europatournee, die bis Juli andauern wird. Die neun Tänzer aus Macaé werden außerdem in Finnland, Schweden, England und voraussichtlich Argentinien und Chile ihre Vorstellungen geben. Im Oktober wird die Premiere ihres neuen Stücks in Spanien stattfinden.

„Die Compagnie Membros Cia de Dança besteht aus Tänzern im Alter von 17 bis 26 Jahren. Sie entwickelt eine Arbeit, die auf soziale Integration abzielt und die über eine reine Spendenpolitik hinausgeht. […] Die jungen Tänzer, die mittlerweile Berufstänzer sind, kommen ursprünglich aus Gemeindeschulen. Stipendien ermöglichten ihnen, Unterricht im Straßentanz zu nehmen und somit ihren Weg zur Kunst zu finden“, merkt die Journalistin Dilma Negreiros weiterhin an.

Sie betont: „Die Compagnie setzt den Straßentanz und den zeitgenössischen Tanz als Mittel zur Identitätserzeugung der Gruppe ein. Dadurch fungiert sie als eine Art Pamphlet, über die ernstzunehmende Fragestellungen des sozialen Lebens in Brasilien diskutiert werden.“

„Raio-X“ ist eine Produktion, die Elemente der Straßenkunst und der Hip Hop-Bewegung miteinander kombiniert. Die in den Randgebieten der Städte entstandenen Formen beeinflussen maßgeblich viele Bereiche der zeitgenössischen Kunst.

Die Tänzer in „Raio X“ stellen Auszüge aus Geschichten von Außenseitern oder aus dem Gefängnismilieu vor. „Wir können nicht unser ganzes Leben lang die sozialen Missstände der Gesellschaft korrigieren, die eigentlich einer politischen Lösung bedürften. Alle freuen sich über unser Engagement, aber für den ‘moleque’, den Straßenjungen, der in der Nähe der Abflussrinne wohnt, ändert sich nichts”, betont Paulo in einem Kommentar für die Internetzeitschrift Revistatal (http://www.revistatal.com.br).